zu Spiegel 24/2014

Mit Glauben oder der Frage nach Gott hatte der Mensch es nie einfach. Eine interessante Entwicklung ist die neue Versöhnlichkeit aus atheistischer Richtung. Es werden Ansätze für ein neues Religionsverständnis gegeben. Ich beziehe mich auf einen Artikel des Spiegel 24/2014 (S 59 Folgende)

Der Artikel aus dem Spiegel titelte: „Glaube ohne Gott“. Es wird aufgeführt, dass ein Glaube auch gut ohne einen Gott oder einen Gott als Person auskomme.

Hauptargument ist, dass das „innewohnende moralische Gesetz“ auch gut ohne einen Gott funktioniere, vor dem man sich verantworten muss. Das „innere moralische Gesetz“ wird dabei mit dem Begriff „Glaube“ gleichgesetzt. Dies ist nur in soweit richtig, wie das Wort „Glaube“ von vielen verstanden werden dürfte. In dem Artikel wird Glaube als Forderung an den Menschen gesehen. Leider wird dies auch in den Kirchen heute oft so verstanden. Glaube wird über Dogmen und Gehorsam definiert. Glaube, wie das Wort in der Bibel verwendet wird, ist etwas völlig Anderes.

Glaube wird in dem Artikel so verstanden, dass es das Ausleben einer Spiritualität ist, ein bewusstes Wahrnehmen des inneren moralischen Gesetzes. Dieses Vorhandensein des inneren Gesetzes wird als Gerechtigkeit gewertet, die den Menschen zu einem höheren Wesen mache. Damit ist die Sichtweise schon weiter entwickelt, als viele Kirchenfrömmigkeit es leider nur ist.

Die Denkweise und Argumentation wird als neu gefeiert und es entsteht der Eindruck, dass Grenzen zwischen Gottglaube und Nichtglaube damit überwunden seien. Die Gedanken sind jedoch nicht neu.

Die Feststellung eines „inneren moralischen Gesetzes“ ist der Ausgangsgedanke des Römerbriefes. Es wird schon in der Bibel festgestellt, dass alle Menschen, gleich welcher Überzeugung, dieses in sich tragen. Dieses innere Gesetz ist aber nicht „der Glaube“. Wenn es so wäre, würden nur Christen es kennen. Die Überlegungen des zitierten Philosophen Dworkin wurden bereits im Römerbrief von Paulus weiterentwickelt. Es folgt dort die schlichte Feststellung, dass der Mensch ständig gegen sein inneres Gesetz handelt. Gerechtigkeit ist nicht was man empfindet, sondern was man tut. Somit wird das innere Gesetz zu einer unbeantworteten Frage.

Der Mensch steht in einem Wiederspruch: Er kann mit seiner Persönlichkeit nicht ausfüllen, was er selber als volle Persönlichkeit erkennt. Bekannteste Stelle aus diesem Text ist das „der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.“ Im Römerbrief wird die Frage gestellt, woher ein Mensch mehr Persönlichkeit erhalten kann, um authentisch mit seinem inneren Gesetz zu leben. Hier kommt dann Gott als „Person, die größer ist als meine Person“ ins Spiel. Vielen Menschen fällt es schwer sich Gott als eine Person vorzustellen und finden als Antwort, dass Gott dann weniger als eine Person sein müsse. Die Antwort der Bibel ist die genau umgekehrte: Gott ist multipersonale Dimension – mehr als nur Person. Ein Überfluss an Persönlichkeit. Das Gottesverständnis des Christentums wird leider meist missverstanden und als naiv abgetan.

Um wirklich nach dem inneren Gesetz zu leben, brauche ich mehr Persönlichkeit als ich von Natur mitbringe. Der Römerbrief kommt zu dem Ergebnis, dass dieses „mehr an Persönlichkeit“ durch Glauben auf den Menschen übertragen wird. Dazu ist es notwendig, dass ich glaube, dass es jemand mit „mehr Person“ gibt, der diese mit mir teilen möchte. Das Kommen und das Leiden von Jesus Christus wird dabei als Beweis gesehen, dass es so ist: So sehr hat Gott die Welt geliebt,…

Glaube ist nicht das moralische Gesetz, sondern die Lösung für das Problem, das dieses Gesetz mit sich bringt. Obwohl es ganz offen in der Bibel steht, haben viele Kirchen dies bis heute nicht verstanden. Sie können mit Begriffen wie „Neue Geburt“ oder „neuer Mensch“ eigentlich nichts anfangen. Das ist bedenklich: War das doch die große Entdeckung der Reformation.

In dem Artikel des Spiegel wird der Atheismus als neu entdeckte Religion gefeiert, die die Probleme der Religion lösen soll. Leider ist der Ansatz dazu eine Rückentwicklung zur Ausgangsfrage biblischen Christentums. Aber vielleicht liegt darin auch eine Chance:

Wenn er nicht heuchlerisch ist, müsste der atheistische Humanismus auf die gleichen Probleme stossen wie schon Paulus. Er müsste erkennen, dass es für uns Menschen keine Lösung gibt, wenn da keine Person ist, die tiefer als die menschliche Person ist. Er könnte dann zu dem Ergebnis kommen, dass eine (Er-)lösung für den Menschen gebraucht wird, die übermenschlich und menschlich zugleich ist. Eventuell wird er dann feststellen, das diese Art von Gedanken bereits seit Jahrtausenden bewegt und beantwortet werden.

Möglicherweise wird am Ende der atheistische Humanist dazu geführt, dass eine göttliche Person ihm einen Erlöser geschickt hat und dann Erlösung erleben.